Shakespeare im Taschenformat oder: Wenn der Streit wieder mal größer ist als die handelnden Personen

Es ist schon ein paar Monate her, aber es war eben sehr beeindruckend: Eine Schulmediation zwischen zwei Jungs. Keine weltbewegende Sache. Aber sie sagt etwas darüber aus, dass Konflikte die Eigenschaft haben, demjenigen, der sie gerade erlebt, sein ganzes Bild der Welt auszufüllen.

Kinder in dem Alter – acht oder neun Jahre – sind oft körperlich sehr unterschiedlich. Da sitzt also ein kleiner Mensch einem großen Brocken aus seiner Klasse gegenüber. Der Kleine hat die Arme verschränkt. Es geht um einen Streit, der vor fast einem Jahr mit einem zerknüllten Blatt Papier begann. Das war als Willkommensgruß für den neuen, den großen Jungen, von der Klasse liebevoll gestaltet worden. Der Große aber hat das damals nicht verstanden und war achtlos mit diesem Geschenk umgegangen. Verstimmung, Verhärtung, Streit, Prügeleien. Und jetzt ein Gespräch. In dem will irgendwann der Große um Verzeihung bitten. Aber der Kleine sitzt da und sagt: „Nein.“ Schüttelt den Kopf. Verschränkt die Arme noch fester. „Nein.“ Er schlägt nicht ein in die ausgestreckte Hand. Wir sagen dem Großen, dass es toll ist, dass er dem anderen die Hand hingestreckt hat, auch wenn der das in diesem Augenblick nicht annehmen kann. Und wir sagen dem Kleinen, dass er natürlich das Recht hat, die Entschuldigung nicht anzunehmen – aber vielleicht kann er uns ja sagen, warum er das nicht will.

„Nein“, sagt der Kleine nochmal, und er spricht ganz langsam, beinahe feierlich. „Das war unverzeihlich“, sagt er, so ernst, wie ihn seine Lehrerin im Unterricht noch nie erlebt hat. „Un-ver-zeih-lich.“

Für den Streitenden ist egal, ob es um Frieden in Nahost oder Frieden in der 2b geht. Entscheidend ist, wie voll das Herz davon ist – und wie die anderen helfen, dass es wieder leichter wird. Eine Lösung ist nicht dann schneller zu haben, wenn es in den Augen Dritter um im Weltmaßstab wenig geht. Auch in dem Fall ging es für die Beteiligten um viel. Und es brauchte Zeit, damit dieses Gespräch mit diesem Angebot und dieser Zurückweisung irgendwann zur Grundlage einer Versöhnung werden konnte.

Zorn? Wut? Stolz? Scham?

Die unten verlinkte Sendung „Stolz und Zorn“ in der Essay-Reihe von SWR2 habe ich gleich zwei Mal hintereinander gehört, kann sie nur empfehlen – und das tatsächlich gerade Führungskräften. Vielleicht sind in diesem Essay über jene Emotionen, mit denen wir Macht, Geltung, Kränkung und Wehrhaftigkeit verhandeln, keine noch-nie-gemachten Erkenntnisse drin. Weiterlesen